Ein Schultag in sepia

Die Beiertheimer Grundschule feiert 90 Jahre Schulhaus mit einer besonderen Aktion.

„Die Bilder sind alle schwarz-weiß oder so gelblich“, „Die Mädchen haben Schürzen mit Rüschen und die Jungs Stoffhosen“, „Die Kinder schauen alle ganz schön ernst“: Heute steht im Stundenplan der Beiertheimer Grundschüler das Fach „Klassenfoto“. Hier betrachten und diskutieren Viertklässler gerade Klassenbilder ihrer Altersgenossen aus den 1920er Jahren und früher. Warum lachen die Kinder auf den Fotos nicht? Wie sehen die Frisuren der Kinder aus? Wieso haben die Kleider gar keine Muster?

Im Klassenraum daneben rekonstruieren Erstklässler den damaligen Schulalltag nach. Und auch die anderen Klassen der Grundschule haben statt Mathe, Deutsch oder Kunst heute „Heimatkunde“, „Scherenschnitt“ oder „Schönschrift“. Einen ganzen Tag lang spielen die Kinder „Schule von früher“. Sie diskutieren und überlegen, wie der Unterricht vor 90 Jahren ablief – genau dann als ihr jetziges Schulhaus gebaut wurde.

Zum Schulhausjubiläum haben sich die Schulleitung und die Lehrerschaft nämlich etwas ganz Besonderes überlegt. „Wir wollten die Schülerinnen und Schüler aktiv an der Schulgeschichte beteiligen,“ erläutert Rektorin Sara Mahmoudian, „deshalb haben wir uns einen besonderen Stundenplan überlegt und auch in der Woche davor in allen Klassen das Schulleben von damals thematisiert.“

An diesem Tag versetzen sich Lehrerinnen und Lehrer sowie die Kinder in die Schule des beginnenden 20. Jahrhunderts. Dazu zählt natürlich auch das dazugehörige Outfit: Jungs mit Hemden, Stoffhose und Hosenträgern, Mädchen mit Kleidern, Schürzen und Zöpfen. Auf den Gängen begegnet man sich mit einem „Guten Tag“ oder „Einen schönen guten Morgen“. Im Unterricht sitzt man gerade mit Händen auf dem Tisch und steht auf, sobald der „Herr Lehrer“ oder die „Frau Lehrerin“ einen aufruft. Im Sport – natürlich Mädchen und Buben getrennt – stehen Leibesübungen auf dem Programm. Im Pflanzenkundeunterreicht tippen die Kinder die lateinischen Pflanzennamen auf einer mechanischen Schreibmaschine und im Fach Schönschrift versuchen sie ihre Namen in Sütterlinschrift – der damaligen Schreibschrift – aufs Papier zu bringen.

„Ziel ist es, den Schülerinnen und Schüler ein Gespür für die damalige Schulzeit zu vermitteln und das geht am besten durch ein Erlebnis.“ sagt Sara Mahmoudian.

Viele Fächer von damals gibt es nicht mehr, einige sind aber auch ähnlich geblieben, merken die Schülerinnen und Schüler an. Sie erkennen auch schnell, dass in der Schule von damals viel strengere Regeln herrschten und sind froh, dass der Schulalltag schon hundert Jahre weiter ist und in der Zwischenzeit Kinderrechte gelten und gelebt werden, sodass das Miteinander ein anderes geworden ist.

Als es um 12:05 Uhr läutet, hört man lautes Kinderlachen in den Fluren – ein aufregender und schöner Schultag geht zu Ende.